Mit vibrationsseismischen Messungen wird der Geologische Dienst NRW ab dem 27. August den
tiefen Untergrund in der Region Ostwestfalen-Lippe erkunden. Gesucht werden
Gesteinsformationen in der Tiefe, die potenziell für eine geothermische Nutzung geeignet sind. Die
Ergebnisse werden der Öffentlichkeit nach ihrer Auswertung zur Verfügung gestellt.
Gleich zwei Messtrupps, bestehend aus je drei schweren Spezialfahrzeugen, den sogenannten Vibro-
Trucks, plus Begleitfahrzeugen und einer rund 25 Personen starken Crew, werden von Ende August
bis Ende September zwischen Minden, Paderborn, Bielefeld und Gütersloh unterwegs sein. Die
Messungen sollen im Rahmen des Projektes „Geowärme – Wir erkunden NRW.“ ein möglichst
detailliertes Abbild des Untergrundes bis in 4 000 Meter Tiefe liefern – ähnlich einem Ultraschallbild.
Anhand der Daten lässt sich abschätzen, wo sich potenziell wasserführende Gesteinsschichten
befinden und wie tief diese liegen. Heißes Wasser aus der Tiefe ist wiederum die Voraussetzung, um
mithilfe der Tiefengeothermie Fernwärmenetze, Industrie und Landwirtschaft mit klimafreundlicher
Wärme zu versorgen. Diese steht 24 Stunden und 7 Tage die Woche, bei jeder Witterung und zu
jeder Jahreszeit zur Verfügung – eine große Chance für Nordrhein-Westfalen, wo viele Kommunen
über Fernwärmenetze verfügen, die bislang meist aus fossilen Energieträgern gespeist werden.
Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
hat den Geologischen Dienst NRW (GD NRW) damit beauftragt, die vibrationsseismischen
Messungen durchzuführen. In den letzten Jahren hat der GD NRW drei solcher Messkampagnen
durchgeführt: 2021 im Münsterland, 2022 im Rheinland und 2023 am Niederrhein. Erste Kommunen
bauen bereits auf den Ergebnissen auf und planen eigene lokale Projekte.
Wie funktioniert Vibrationsseismik?
Schallwellen breiten sich nicht nur in der Luft, sondern auch in festen Strukturen bis tief unter der
Erdoberfläche aus. An verschiedenen Gesteinsschichten im Untergrund werden sie unterschiedlich
reflektiert. Bei den vibrationsseismischen Messungen erzeugen die Vibro-Trucks mittels einer
hydraulisch absenkbaren Rüttelplatte Schwingungen, die sich als Schallwellen bis in mehrere
tausend Meter Tiefe fortsetzen. An der Erdoberfläche fangen spezielle Mikrofone (Geophone) die
Reflexionen aus dem Untergrund auf und speichern die Daten.
Die Vibro-Trucks bewegen sich entlang von Wegen und Straßen, halten alle 30 Meter an und
vibrieren bis zu drei Minuten. So kommt der Konvoi aus drei Vibro-Trucks samt Begleitfahrzeugen
und Personal sehr langsam voran, ähnlich einer Wanderbaustelle. Dadurch kann es zu kurzzeitigen
Verkehrsbehinderungen kommen.
Die Vibrationen sind in der unmittelbaren Nähe der Fahrzeuge als Kribbeln an den Fußsohlen
deutlich zu spüren. Außerdem nimmt das Motorengeräusch während des Messvorgangs zu. „Wir
bitten die Anwohnerinnen und Anwohner, etwaige Unannehmlichkeiten zu entschuldigen“, sagt
Projektleiter Ingo Schäfer vom GD NRW. „Und wir danken den vielen Verantwortlichen in den
Kommunen und Stadtwerken, in Verwaltung und Politik, dass sie uns bei der Vorbereitung der
Messkampagne unterstützt haben.“
Bei der Planung der Strecken hatte die Sicherheit von sensibler Infrastruktur wie unterirdischen
Leitungen und Brücken oberste Priorität. Auch der Umweltschutz sowie denkmalgeschützte
Gebäude wurden umfassend berücksichtigt. „Während der Messungen stellt ein Messtrupp mit
Bodenschwingmessgeräten sicher, dass die Vibrationen stets unterhalb der Normwerte bleiben“,
ergänzt Schäfer.
Wo und wann finden die Messungen statt?
Sieben Messlinien mit ca. 350 Kilometern Gesamtlänge sind geplant. Die Strecken verlaufen
zwischen Stemwede und Porta Westfalica, Petershagen und Oelde, Barntrup und Paderborn, Spenge
und Marienmünster, Paderborn und Höxter, Schieder-Schwalenberg und Willebadessen sowie
Lichtenau und Borgentreich. Zwei Messtrupps werden zeitgleich auf unterschiedlichen Linien
arbeiten. Bis Ende September sollen die Messungen abgeschlossen sein.
Informationen und Aktionen für die Bevölkerung
Auf der Webseite www.geowaerme.nrw.de stehen umfangreiche Informationen über die
Hintergründe und Ziele des Projektes „Geowärme – Wir erkunden NRW.“ bereit. Live dabei sein
können Interessierte bei drei Veranstaltungen in Minden (So., 1.9.), Bielefeld (Sa., 7.9.) und
Paderborn (Sa., 14.9.). In Minden ist der „Vibro-Truck zum Anfassen“ Teil des Tags der Offenen Tür
der städtischen Betriebe. In Bielefeld und Paderborn wird er jeweils auf dem Rathausplatz
aufgestellt. Das Projekt-Team ist vor Ort und beantwortet gerne die Fragen der Bürgerinnen und
Bürger.
Auf Social-Media-Kanälen erklären die Fachleute unter anderem, was ein Geophon ist, warum Sand-
und Kalksteine für eine geothermische Nutzung geeignet sind und wie die Geothermie genutzt
werden kann. Auch Impressionen von den Messungen und Infos zum Streckenverlauf der nächsten
Tage sind unter @geowaermenrw auf Facebook, Instagram und X zu finden.
Hintergrundwissen: Hydrothermale Geothermie
Bei der hydrothermalen Geothermie wird heißes Tiefenwasser genutzt, das durch eine
Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt wird. Dort gibt das Thermalwasser seine Energie über
Wärmetauscher beispielsweise an ein Fernwärmenetz, einen Industriebetrieb oder ein Gewächshaus
ab. Da das Tiefenwasser nach der Wärmenutzung wieder vollständig in den Untergrund
zurückgepumpt wird, kommt es im Untergrund zu keiner Volumenänderung. Bei der
hydrothermalen Geothermie werden keine Gesteine mit Druck aufgebrochen.
Hintergrundwissen: Masterplan Geothermie NRW
Ziel des Masterplans Geothermie NRW ist es, die tief liegenden Wärmevorkommen umfassend zu
nutzen und bis 2045 ca. 20 Prozent des Wärmebedarfs in Nordrhein-Westfalen durch Geothermie zu
decken. Ein wichtiger Bestandteil davon ist das Explorations- und Bohrprogramm „Geowärme – Wir
erkunden NRW.“, mit dessen Durchführung der GD NRW beauftragt wurde. Weitere Maßnahmen
des Masterplans beinhalten u. a. die finanzielle Unterstützung von Kommunen bei
Machbarkeitsstudien und Bohrungen.
Wir erkunden NRW. | Ein Projekt des Geologischen Dienstes