Da steht er, der Cheruskerfürst. Seit 150 Jahren reckt „der Hermann“ sein Schwert in den lippischen Himmel. Mit stattlichen 26,5 Metern weithin sichtbar, trotzt er Regen und Sturm, Sonne und Hitze, Eis und Schnee. Lässt, ungerührt über das Lipperland schauend, die Blicke der Touristen, die ihn hunderttausendfach durch Kameraobjektive und Handylinsen fokussieren, an sich abperlen. Sieht vielleicht einen Bussard kreisen. Oder eine Drohne um sein Haupt surren. Was mag ihm dabei wohl so hinter der kupfernen Stirn durch den Kopf gehen?

Buchautor Friedo Petig, bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen wie „Der Lipper an sich“, „Das Schweineparadies“ oder dem Regionalkrimi „6 aus 49“, hat sich dazu seine eigenen Gedanken gemacht und Hermann eine Stimme gegeben. Dabei herausgekommen ist „Hermann denkt“ – ein 219-seitiges Buch nach gewohnter Petigscher Manier, in dem der stolze Recke gleich zu Anfang den Leser wissen lässt: „Ich habe meinen eigenen Kopf. Ich kann denken wie ein Lipper an sich. Ich bin ein Denkmal — also denke ich.“

Auf seinem literarischen Streifzug durch die zurückliegenden anderthalb Jahrhunderte reflektiert Hermann (resp. Petig) nicht nur mit kritischer Ironie und hintersinnigem Humor, sondern wertschätzend und mit profundem Hintergrundwissen das Geschehen in Lippe und der Welt. Ohne das „Teutemänneken“ des Ernst von Bandel vom Sockel zu stoßen, nimmt Petig seine Leserschaft mit auf eine hintergründige Reise in Hermanns Kopf. Wirtschaft, Kultur, Umwelt, Religion, Sport, Politik – das Spektrum der Themen ist schier unbegrenzt. Lokalkolorit und Kosmopolitismus gehen eine segensreiche Liaison ein, währendPetig souverän durch die Themenvielfalt navigiert und ohne Scheu mit dem ihm eigenen Fingerspitzengefühl auch brisante Inhalte wie Krieg, Repression und Terror in sein Werk einflicht. Egal, ob große Politik oder kleine Befindlichkeitsstörung – Menschen, Orte und Situationen werden liebevoll entlarvt und auf neugierige und lebenspositive Weise in Szene gesetzt. Oder besser sagen: in Reime gefasst.

Man merkt: Petig hat sich intensiv mit dem Hermannsdenkmal und seiner Geschichte beschäftigt. Und vielleicht ist „Hermann denkt“ gerade deswegen kein typisches Jubiläumsbuch geworden, das historische Faken nachzeichnet, sondern eines, das mit Kreativität und Wortwitz auf unkonventionelle Weise den Blick für Vergangenes und Gegenwärtiges zu schärfen vermag. Petigs Texte spiegeln immer wieder auch die Verlorenheit des Menschen in einer modernen, unübersichtlichen Zeit und sind zugleich lebensbejahende Kabinettstückchen, die einen Bogen zwischen 1875 und 2025 schlagen. Heimatverbunden, aber nicht patriachalisch. In der Region verwurzelt, aber nicht lippetümelnd. Sich der Traditionen bewusst, aber nicht rückwärtsgewandt.

140, zum Teil erstmals veröffentlichte Abbildungen komplettieren das in der otio-Verlagsbuchhandlung als Paperback erschienene Buch. Im Rahmen des großen Familienfestes, das der Landesverband Lippe am Sonntag, 16. August, zu Füßen des Hermannsdenkmals veranstaltet, können Besucher es erstmalig erwerben und von Friedo Petig signieren lassen. Darüber hinaus ist „Hermann denkt“ zum Preis von 19,80 Euro im Buchhandel (ISBN: 978-3-9817611-9-1) oder über die Website www.friedo-petig.de erhältlich. Wer nicht selber lesen mag, der kann den Autor für Lesungen und Vorträge buchen.

Hat mit „Hermann denkt“ sein jüngstes Werk veröffentlicht: Autor Friedo Petig. Foto: Jochen Ehrhardt

Von Julef