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Ohne Menschen mit Einwanderungsgeschichte wäre die Stadt viel ärmerEröffnung einer Wanderausstellung – Elf Menschen aus aller Welt stellen ihre Lebensgeschichte vor – Bürgermeister Kock: „Wir alle sind Minden“

Minden. „Man soll Menschen mit dem Herzen und nicht nur mit den Augen sehen.“ Mit dieser bewegenden Botschaft eröffnete Selvi Arslan, Integrationsbeauftragte der Stadt Minden, ihre Begrüßung zur Vernissage der Ausstellung „Wir sind Minden – Porträt einer bunten Stadtgesellschaft“ am vergangenen Montag im Ständersaal des LWL-Preußenmuseums. Für sie sei Integration vergleichbar mit einer Perlenkette, „die wir am Ende – zusammengefasst aus ganz vielen Lebensgeschichten – alle stolz tragen“, so Arslan.

Die Stabstelle Integration hat gemeinsam mit besonderen Bürger*innen der Stadt eine Wanderausstellung erstellt, die am 8. Dezember mit rund 170 Gästen und unter musikalischer Begleitung des Nachbarschaftschores aus Bärenkämpen eröffnet wurde. Elf Menschen aus allen Teilen der Welt stellen sich und ihre ganz persönliche Lebensgeschichte auf Rollups und in einer Broschüre vor. Sie erzählen, woher sie kommen, warum sie ihre „erste“ Heimat verlassen haben oder mussten und berichten darüber, wie sie in Deutschland angefangen und sich ein neues Leben aufgebaut haben. Viele von ihnen engagieren sich auch ehrenamtlich.

„Vor mir sitzen Menschen, die Teil der Ausstellung geworden sind, die sich geöffnet und es zugelassen haben, dass sie nun in der Öffentlichkeit stehen. Ich finde das sehr mutig und bemerkenswert“, lobte Bürgermeister Peter Kock in seinem Grußwort. Dem Team Integration sei es gelungen, Migration als Bereicherung für alle sichtbar zu machen. „Sie sind nämlich unser Stadtbild und wir wären so viel ärmer, wenn Ihr Weg sie nicht nach Minden geführt hätte“, strich Kock hervor. Er sei stolz, dass Minden so eine bunte Stadtgesellschaft habe. „Wir alle sind Minden“, stellte er unter dem Applaus der Gäste heraus.

Vor dem Hintergrund der aufgeheizten Stimmung beim Thema Migration und der in den Medien überproportional als problematisch dargestellten Zuwanderung sei diese Ausstellung für sie persönlich mehr als eine Darstellung von Biografien. „Sie ist ein herausgehobenes Zeichen für Wertschätzung, Anerkennung und ein selbstbewusstes Verständnis von Vielfalt in unserer Stadt und in diesem Land“, betonte die Erste Beigeordnete Daniela Giannone. Zu ihrem Geschäftskreis gehört neben den Bereichen Soziales sowie Sicherheit, Ordnung und Bürgerdienste und dem Jugendamt auch das Team Integration.

„Wir wollten nicht über Menschen mit Migrationserfahrung sprechen, wir wollten ihnen selbst eine Bühne geben. Denn Teilhabe und Sichtbarkeit sind entscheidende Elemente einer lebendigen und offenen Demokratie“, so Giannone zur Motivation diese außergewöhnliche Ausstellung auf die Beine zu stellen. Die Idee zu diesem Projekt habe ihren Ursprung im Arbeitsalltag der Stabstelle Integration, wo Menschen aus allen Ländern dieser Welt eine Anlaufstelle haben und Unterstützung finden.

Dass die Migration in Deutschland eine Geschichte mit vielen Gesichtern hat, darauf ging Prof. Dr. Manuel Brunner in seinem Kurzvortrag ein. Auch bewertete er das Wort „Migration“, das aktuell zu den so genannten „Rage Baits“ gehört. Das sind Online-Inhalte, die gezielt Wut oder Empörung hervorrufen, um das Engagement der Nutzer zu steigern. Solche Inhalte erscheinen oft auf Social-Media-Plattformen und zielen darauf ab, virale Interaktionen zu generieren, indem sie emotionale Reaktionen provozieren.

Für ihn habe der Begriff Migration eine positive Bedeutung, so Prof. Dr. Brunner (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen in Bielefeld). Denn Migration habe auch die Bundesrepublik Deutschland bereichert. Ein Blick zurück: Im und nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Millionen von Menschen aus den ehemaligen Ostgebieten – heute Polen und Russland – als Geflüchtete und Vertriebene nach Deutschland. Ab den 1960er Jahren kamen gezielt angeworbene Gastarbeiter, die die deutsche Wirtschaft stärken sollten. „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“, zitierte Brunner den Schriftsteller Max Frisch in diesem Zusammenhang.

Auch in Minden prägten lange Zeit auch Soldaten der britischen Armee, dem ehemaligen Feind, das Stadtbild. „Auch von ihnen blieben manche für immer, die meisten der Liebe wegen“, so Brunner. In den 1980er Jahren flüchteten Menschen aus dem Nahen Osten, Palästinenser*innen und Staatsbürger*innen aus dem Libanon, nach Deutschland. Danach suchten Menschen aus dem Kriegs- und Krisengebieten des ehemaligen Jugoslawien Schutz. Mit der Öffnung der osteuropäischen Grenzen kamen auch sogenannte „Russlanddeutsche“ und Menschen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, um zu bleiben. 2015/16 machten sich vor allem Menschen aus Syrien und auch aus afrikanischen Staaten auf den Weg nach Europa und schließlich seit 2022 flüchteten viele Menschen aus der Ukraine vor dem Krieg.

Auch die Ausstellung spiegelt diese vielfältige Migrationsgeschichte wider. Porträtiert sind Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Deutschland kamen, vor einigen Jahren oder auch schon vor Jahrzehnten. Es sind Mindener*innen geworden. „Wir sehen hier Menschen aus allen Teilen der Welt, die ihre erste Heimat verlassen haben. Wir sehen elf unterschiedliche Wege, die aber alle letztlich hierher geführt haben“, so Bürgermeister Peter Kock. Und weiter: „Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich nicht mal im Ansatz nachempfinden kann, wie es ist, ein bisher gelebtes Leben aufzugeben.“

Dass diese Geschichten berühren, bekamen auch die 170 Gäste zu spüren, als die elf Porträtierten am Ende noch einmal zu Wort kamen, nachdem sie Blumen und ein kleines Geschenk erhielten. Katharina engagiert sich im Deutsch-Russischen Kulturverein und hilft gerne, wo sie kann. Ghassan zitierte die kürzlich verstorbene Margot Friedländer: „Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen. Seid vernünftig.“ Amany aus Syrien und Olena aus der Ukraine wünschten sich vor allem Frieden und dass sie ihre Familien bald wiedersehen können.

Das Schlusswort hatte Selvi Arslan, die noch einmal daran erinnerte, dass man die Menschen mit dem Herzen sehen sollte und nicht nur mit den Augen. Das Original-Zitat stammt aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Weitere Informationen

Umgesetzt haben das Projekt federführend Cansu Tuncdemir sowie die Kolleginnen Natalie Egert und Selvi Arslan – zusammen mit der Agentur etageeins (Anja Richter) und dem Fotografen Peter Hübbe.

Die Wanderausstellung „“Wir sind Minden“ wird ab Januar 2026 im Begegnungszentrum Bärenkämpen, in der Ev. Pflegeakademie der Diakonie, im Haus der Begegnung in Rodenbeck und danach im Quartiersbüro Rechte Weserseite zu sehen. Aber auch im Kreishaus an der Portastraße oder im Familienzentrum am Deichhof hat man die Gelegenheit vorbeizuschauen. Alle Termine gibt es online unter www.minden.de/familie-jugend-soziales/integration/integrationsprojekte/ .


Die Ausstellung wurde mit dem Bundesprogramm „Gesellschaftlicher Zusammenhalt – Vor Ort. Vernetzt. Verbunden.“ (gefördert vom Bundesinnenministerium sowie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und mit der finanziellen Unterstützung des Ausschusses für Chancengerechtigkeit und Integration der Stadt Minden (ehemals Integrationsrat) realisiert.

Von Julef