Kalletal/Lemgo. Mittlerweile kennt jeder jemandem, dem schon mal aufgrund von Hochwasser der Keller vollgelaufen ist, oder man hat selbst bereits einen solchen Unglücksfall miterlebt. Diese Ereignisse werden in Zukunft wahrscheinlich häufiger. Der wesentliche Grund dafür ist die Beschleunigung des Klimawandels. Hinzu kommt, dass unsere moderne Infrastruktur versiegelt ist mit festen Wegen, Häusern und großen ausgebauten Plätzen. Der viele Regen, der heutzutage nach einer längeren Dürreperiode auf die Erde prasselt, flutet im Nu unsere Kanäle, Regenrinnen wie Rückhaltebecken und sucht sich entsprechend andere Wege. So passiert es, dass unsere Straßen, Wohnungen und Lebensräume innerhalb weniger Minuten durch die aufkommenden Wassermassen in Mitleidenschaft gezogen werden können.

Den Klimawandel können wir nicht ruckartig ausbremsen und auch Regen aufhaltende Bäume und Flora wachsen nicht innerhalb von einem Tag nach. Doch wie sollen sich die Menschen vor diesen Wassermassen schützen? Wichtig wäre es, wenn man für seinen Lebensraum gut einschätzen könnte, ob der nächste Regenschauer eine Hochwassergefahr mit sich bringt. Dann könnten Vorbereitungen getroffen und Hab und Gut besser geschützt werden. Genau das ist eines von vielen Themen des Modellprojektes Smart City, das unter dem Namen digital.interkommunal für die Kommunen Kalletal und Lemgo gemeinsame smarte Lösungen für regionale Bedarfe entwickelt.

Das Hochwasserinfosystem

Hinter diesem langen Namen verbergen sich kleine Sensoren, die an Hauswänden und Gewässern Kalletals und Lemgos installiert wurden. Ihre Aufgabe ist es, die eintreffenden Informationen, wie Niederschlagsmenge und Pegelhöhe, digital aufzunehmen. Auf diese Weise lassen sich die Werte schnell und leicht versenden. Dies ist deshalb wichtig, da man so ein regelmäßiges Update der hiesigen Bedingungen erhält, die einen Einfluss auf etwaige Hochwassergefahren haben.

Das Dashboard

Seit Ende diesen Jahres ist für Kalletal ein sogenanntes Dashboard des Hochwasserinfosystems online unter dem Menüpunkt „Leben in Kalletal“ verfügbar, welches auch über die Kalletal App zugänglich ist. Auf diesem Dashboard können alle Bewohnerinnen und Bewohner die Daten über Niederschlagsmengen und den Pegelstand der Gewässer in ihrer Nähe schnell selbstständig einsehen und mit angegebenen Soll-Werten vergleichen. Diagramme und Grafiken erleichtern zudem das schnelle Erfassen der Daten. Aktuell befindet sich das Dashboard noch in einer Arbeitsversion. Verbindliche Warnungen können daher nicht ausgegeben werden. Für Lemgo ist ein solches Dashboard ebenfalls in der Entwicklung. Sobald genügend Daten, auch mithilfe umliegender Kommunen, gesammelt wurden, lassen sich aus diesen auch Prognosen für Hochwasser ableiten.

Ausgezeichnet

Das Hochwasserinfosystem ist nicht nur für Kalletal und Lemgo ein wichtiges System, sondern auch Kommunen ganz Deutschlands können im nächsten Jahr schon per Open CoDE auf die Software zugreifen. Denn was Kalletal und Lemgo jahrelang entwickelt haben, soll so schnell wie möglich für andere nutzbar gemacht werden. So ein System zu etablieren braucht Zeit. Und weil das Hochwasserinfosystem nicht nur auf die Gefahr von Überschwemmungen hinweisen kann, sondern auch auf andere Teile Deutschlands übertragbar ist (durch den sogenannten „Open CoDE“), wurde dieses Projekt für einen Award nominiert und auch ausgezeichnet.

Der Digital-Award

Auf der Messe KommDIGITALE in Bielefeld, die Kommunen Deutschlands unter dem Aspekt der Digitalisierung und Innovationen zusammenruft, werden jährlich ausgewählte Projekte für den Digital-Award nominiert und ausgezeichnet. So auch das Hochwasserinfosystem vom Smart City Modellprojekt digital.interkommunal. In der Kategorie „unter 100.000 Einwohnern“ konnte das benannte System überzeugen.

Diese Auszeichnung sei für die Beteiligten, die so lange an dem System gearbeitet haben, eine tolle Belohnung, so Mario Hecker, Bürgermeister vom Kalletal. Zudem betont er, dass die interkommunale Zusammenarbeit ein wesentlicher Aspekt dieses Systems sei. Denn ein Fluss höre nicht einfach an der Stadtgrenze auf.

Hinter den Kulissen des Hochwasserinfosystems

Um dieses letztlich anwenderfreundliche System zu entwickeln, waren viele verschiedene Akteure beteiligt. Das Fachwissen vom Zusammenbringen und Lagern digitaler Daten wurde durch die Kooperation mit OWL-IT ermöglicht. Die Grundlage für die Übertragung der Daten aus dem Kalletal und Lemgo bildete das sogenannte LoRaWAN-Netzwerk, das durch die Stadtwerke Lemgo und die Kommunen ausgebaut wurde. Zudem haben digital.interkommunal und das Fraunhofer IOSB-INA gemeinsam an der Umsetzung des ersten Arbeitspakets für das Hochwasserinfosystem gearbeitet. Des Weiteren hat Fraunhofer bei der Installation der Sensorik unterstützt und stellt das Dashboard bereit. Durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Fachabteilungen und Kommunen, verknüpft durch das Modellprojekt Smart City, konnte das Hochwasserinfosystem entwickelt werden.

Zukunftsaussichten

Damit das Hochwasserinfosystem für die Prognose von Hochwassergefahren zuverlässig genutzt werden kann, arbeitet das Smart City-Projekt eng mit weiteren Kommunen zusammen. Neben der Kooperation von Kalletal und Lemgo sind auch Barntrup und Dörentrup beteiligt, denn wie Mario Hecker, Bürgermeister vom Kalletal auf der Digital-Messe sagte, hören Gewässer nicht einfach an kommunalen Grenzen auf. Weitere Kommunen wie Detmold und Blomberg seien ebenso im Gespräch für ein gemeinsames Wirken. „Je mehr Kommunen bei dem Projekt mitmachen, desto genauer kann man in Zukunft Hochwassergefahren berechnen“, betonte Nicole Baeumer, Projektleiterin von digital.interkommunal. Viele Smart Cities befassen sich mit derselben Thematik, so Baeumer, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Weitere enge Zusammenarbeit unter den Kommunen würde sowohl bereichernd sein, als auch ressourcenschonend. Aus den Erfahrungen anderer lernen und Lösungen teilen sei eines der Erfolgskonzepte der Smart Cities in Deutschland.

Nach der Veröffentlichung des Dashboards für Lemgo seien noch die Schritte der Veröffentlichung des Systems in „Open CoDE“ sowie Arbeitspaket 2 und 3 geplant, bei denen der Fokus auf die Analysen der Daten bzgl. Ursachen und Wirkung gelegt wird, sowie das Fertigstellen des Prognosetools. Daher wünscht sich die Projektleiterin von digital.interkommunal für die Zukunft weiteren regen Austausch und Vernetzung mit anderen Kommunen sowie Entwicklerinnen und Entwicklern von smarten Systemen: „Wer bei der Übertragung und den nächsten Schritten für das Hochwasserinfosystem teilnehmen möchte, kann immer gerne auf uns zukommen. Wir sind dankbar für jede Unterstützung.“

Weitere Informationen über das Hochwasserinfosystem gibt es auf der Internetseite digital-interkommunal.de. Wer Kontakt aufnehmen möchte, kann sich unter info@digital-interkommunal.de oder auf Instagram und Facebook an das Smart City Team wenden.

Das Dashboard geht online. Die beteiligten Akteure des Hochwasserinfosystems treffen sich zum Austausch.

v.l.n.r.: Edgar Schlinkmeier (Gemeinde Kalletal), Michaela Lehnert (OWL IT), Steffen König (Alte Hansestadt Lemgo), Mario Hecker (Gemeinde Kalletal), Olaf Kapelle (Gemeinde Kalletal), Markus Baier (Alte Hansestadt Lemgo), Dennis Ortmeier (Alte Hansestadt Lemgo), Nicole Baeumer (digital.interkommunal), Hauke Hillebrenner (Stadtwerke Lemgo), Michaela Lödige (Fraunhofer IOSB-INA), Martin Wieczorek (OWL IT) +++ Foto: Stadt Lemgo

Von Julef